Jugendproteste in Kenia – Über Widerstand, Ursachen und ihre Bedeutung für Europa

Shownotes

In Nairobi und vielen anderen Städten Kenias entlud sich im Juni 2024 und erneut ein Jahr später der Zorn einer Generation – laut, kreativ, digital vernetzt. Was als Protest gegen ein neues Steuergesetz begann, entwickelte sich zu einer landesweiten Bewegung: dem Aufstand der kenianischen Generation Z, der bis heute anhält. Ausgelöst wurden die Proteste durch ein neues Gesetzespaket, das neue und höhere Steuern auf viele Lebensbereiche einführen sollte und durch das unter anderem Grundnahrungsmittel teurer geworden wären.

Unter verschiedenen Hashtags organisierten sich Tausende und koordinierten Protestzüge. Die Jugend fordert Transparenz, Teilhabe und wirtschaftliche Gerechtigkeit, und sie nutzt die digitalen Werkzeuge ihrer Zeit, um die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen.

Doch wie ist die Stimmung in Kenia heute? Wie hat die Regierung auf die anhaltenden Forderungen der Jugend reagiert? Und warum ist es für uns Europäer relevant, was in Kenia passiert? Darüber sprechen wir im Podcast mit Mathias Kamp. Er ist Leiter des Auslandsbüros Kenia bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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00:00:04: Auslandsinfo – Spotlight – um die Welt.

00:00:06: mit der Konrad-Adenauer-Stiftung In Nairobi und vielen anderen Städten Kenias entlud sich im Juni, und erneut ein Jahr später der Zorn einer Generation laut, kreativ und digital vernetzt.

00:00:22: Was als Protest gegen ein neues Steuergesetz begann, entwickelte sich zu einer landesweiten Bewegung, dem Aufstand der kenianischen Generation Z, der bis heute anhält.

00:00:32: Ausgelöst wurden die Proteste durch ein neues Gesetzespaket, das neue und höhere Steuern auf viele Lebensbereiche einführen sollte und durch die unter anderem Grundnahrungsmittel teurer geworden wären.

00:00:43: Für viele junge Kinianerinnen und Kinianer war das der sprichwörtliche Tropfen, der das fast zum Überlaufen brachte.

00:00:50: Die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, steigenden Preisen und einer wachsenden Staatsverschuldung ließ die Maßnahmen wie eine Zumutung wirken.

00:01:00: Innerhalb weniger Tage mobilisierte sich die Jugend über soziale Medien.

00:01:04: unter verschiedenen Hashtags organisierten sich Tausende und koordinierten Protestzüge.

00:01:10: Diese Generation fordert Transparenz, Teilhabe und wirtschaftliche Gerechtigkeit und sie nutzt die digitalen Werkzeuge ihrer Zeit, um die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen.

00:01:20: Doch wie ist die Stimmung in Kenia heute?

00:01:23: Wie hat die Regierung auf die anhaltenden Forderungen der Jugend reagiert?

00:01:26: Und warum ist es für uns Europäer relevant, was in Kenia passiert?

00:01:31: Darüber spreche ich heute mit Matthias Kamp.

00:01:33: Er ist Leiter des Auslandsbüros Kenia bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

00:01:38: Bevor ich unseren heutigen Gast begrüße, noch ein paar Worte in eigener Sache.

00:01:42: Bislang habt ihr hier im Podcast meine Kollegin Ranna Taschkopperan gehört.

00:01:47: Ab sofort wird es im Wechsel auch wieder eine zweite Stimme geben.

00:01:50: Mein Name ist Magdalena Faikner.

00:01:52: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von AuslandsInfo-Spotlight.

00:01:57: Hallo Matthias, schön, dass du heute bei uns bist.

00:02:00: Ja, ich freue mich sehr dabei zu sein.

00:02:02: Matthias, zu Beginn unseres Podcasts machen wir immer eine kleine Aufwärmrunde.

00:02:06: Ich starte mit drei unvollständigen Sätzen, die du spontan ergänzt.

00:02:11: Die Jugendproteste in Kenia zeigen mir das.

00:02:15: dass in Kenia viel Frust vorhanden ist und ein großer Druck herrscht, aber gleichzeitig viel Potenzial das Land in eine positive Richtung weiterzuentwickeln.

00:02:24: Die

00:02:24: Proteste sind weniger ein Zeichen von Unruhe, sondern ein Zeichen von

00:02:28: ... ... von tiefsitzendem Frust in der jungen Bevölkerung über verkrustete politische Strukturen und schwierige wirtschaftliche Perspektiven.

00:02:40: Die internationale Gemeinschaft sollte verstehen das.

00:02:43: dass Kenia ein ganz zentraler Akteur in einer schwierigen Region ist, auf einem wichtigen Kontinent, den man begleiten sollte und schauen sollte, dass Kenia sich in eine gute Richtung weiterentwickelt, um wichtiger Partner zu bleiben.

00:02:56: Matthias, mich interessiert, wie hast du die Proteste in den Jahren im aktuellen Jahr erlebt?

00:03:03: Nimm uns mal mit.

00:03:04: Wie können sich die Hörerinnen und Hörer das vorstellen, was bisher passiert ist und wie würdest du die aktuelle Stimmung in Kenia beschreiben?

00:03:12: Ja, das ist ganz interessant.

00:03:13: Ich war im Juni, als die Proteste eskalierten.

00:03:20: Da war ich noch gar nicht als Auslandsmitarbeiter in Kenia, war noch als Referent für Kenia zuständig und war auf einer Wohnungsbesichtigungsreise und fand mich plötzlich in einem Hotelzimmer mit Blick auf das Stadtzentrum wieder und verfolgte natürlich die Nachrichten und sah Rauchschwaden über der Stadt aufziehen und hatte plötzlich weniger Zeit, mich darum zu kümmern, ein Haus zu finden, sondern eher die aktuelle Lage zu erfassen und auch noch Deutschland kommunizieren zu können.

00:03:45: Und dann bin ich im letzten Jahr im August als Auslandsmitarbeiter hier in Kenia angefangen.

00:03:50: Und das hat uns natürlich dann die ganze Zeit auch beschäftigt, die weiteren Entwicklung.

00:03:54: Und in diesem Jahr ist es dann im Juni erneut am Jahrestag zu Protesten gekommen, auch mit sehr hässlichen Stänen, die uns natürlich alle im Büro und in unserem Pandner-Umfeld sehr beschäftigt haben und großes Interesse geweckt haben und auch große Sorge auf unserer Seite und auch bei den internationalen Beobachtern.

00:04:11: Ja, jetzt hast du es kurz angerissen.

00:04:13: Es kam ja teilweise wirklich zu sehr gewaltsamer Reaktion der Sicherheitskräftige gegenüber den Demonstranten.

00:04:19: In Zeitungsberichten habe ich hier in Deutschland gelesen, dass der Präsident selbst die Anweisung an die Polizei gegeben hat, schießt den Demonstranten ins Bein.

00:04:26: Wir haben die Bilder verfolgt, es wird ganz Hydränengas eingesetzt, es wird teilweise scharf geschossen.

00:04:32: Ein Blogger ist in Polizei gewahrsam und das Leben gekommen.

00:04:36: Generell gab es bei den Protesten einige Tote und Verletzte.

00:04:39: Das sind ja Zustände, die man jetzt bei einem demokratischen Staat, Vikiniereiner, erst mal nicht erwarten würde.

00:04:44: Woher rührt denn jetzt diese Härte?

00:04:47: Also zum einen muss man natürlich betonen, dass das jetzt kein Dauerzustand ist.

00:04:50: Also während wir jetzt gerade sprechen, im Dezember zwanzig, fünfzwanzig, ist es vergleichsweise ruhig in Kenia.

00:04:56: Es hat über viele Wochen eigentlich Monate keine Proteste gegeben, auch keine hässlichen Stehen mehr, wie wir sie da beobachtet haben.

00:05:02: Also es war dann auch wirklich ein temporäres Phänomen, dass die Proteste so eskaliert sind.

00:05:08: Das ist das eine.

00:05:09: Und da muss man ein bisschen schauen, woran liegt es, dass so hart reagiert wird.

00:05:14: Das hat zum einen damit zu tun, auch was ist der lokale, der historische Kontext und wie agieren die Sicherheitskräfte hier.

00:05:21: Ich glaube, das hilft auch, ein Verständnis zu haben, dass Gewalt und Repression auch in der kenianischen Geschichte immer vorhanden waren, dass hier die Polizei nicht als Bürger in Uniform und Freund und Helfer gesehen wird und unterwegs ist.

00:05:33: Es gibt Probleme mit Korruption, mit schlechter Bezahlung.

00:05:36: Das führt auch zu negativen Auswüchsen.

00:05:38: Und das hat sicher auch ... zu der einen oder anderen Überreaktion von unprofessionellen Sicherheitskräften geführt.

00:05:45: Die Frage ist immer, inwiefern... war das zentral orchestriert, war das eine Vorgabe möglichst brutal vorzugehen.

00:05:52: Und da gibt es unterschiedliche Einschätzungen, auch was da an den Tagen passiert ist, wer da auch was provoziert und angeordnet hat.

00:05:59: Aber die Äußerung des Präsidenten im Nachgang lassen schon darauf schließen, dass Härte angeordnet war und auch die verschiedenen Nachwirkungen, die wir gesehen haben, auch mit diversen Einschüchterungsversuchen, mit Kidnappings, mit illegalen Verhaftung bis auch zu einem Todesfall eines Bloggers, der ja auch mit das Wiederaufgaben der Proteste in diesem Jahr mitgeträgert hat.

00:06:19: Das zeigt schon, dass da offenbar eine klare Maßgabe war, auch mit Einschüchterung auf diese Proteste zu reagieren.

00:06:25: Mich würde jetzt noch interessieren, die chinianische Regierung, insbesondere Präsident Ruto.

00:06:31: Wie hat der auf die Forderung der Protestierenden reagiert?

00:06:35: Und ich schließe noch gleich eine zweite Frage an.

00:06:37: Welche Rolle spielen denn einzelne Parteien und Oppositionsgruppen dabei?

00:06:42: die sich ebenfalls an diesen Protesten oder nützen die es vielleicht sogar für ihre Agenda?

00:06:48: Ja, also zum einen war die Reaktion von Präsident Ruto sehr interessant zu beobachten, weil es da verschiedene Phasen gab, also er ist zunächst als die Proteste im Juni.

00:06:59: Er war vor Fernsehkameras getreten noch am gleichen Tag, war sichtlich emotional und seine erste Reaktion war da sehr harsch.

00:07:07: Er hat die Proteste und die Protestierenden im Bausch und Bogen verurteilt, sicherlich auch vor dem Hintergrund der Szenen, die man gesehen hat.

00:07:14: Also das Parlament war belagert, Abgeordnete hatten sich in der Tiefgarage verschanzt und so weiter.

00:07:20: Da hat er natürlich nicht unrecht, wenn er sagt, das ist ein Angriff auf eine demokratische Institution.

00:07:24: Ja, auf der anderen Seite ist dann aber die Reaktion der Sicherheitskräfte natürlich fragwürdig.

00:07:30: Da hat er sich aber mit aller Härte gezeigt, hat das verurteilt, hat gesagt, wir werden das nicht zulassen, dass unsere Demokratie, unsere staatlichen Institutionen angegriffen werden und wir werden mit aller Härte vorgehen.

00:07:41: Er ist dann aber im Nachgang sicherlich auch unter dem Einfluss von Beratern, die das vielleicht nicht nur gesehen haben und auch anderen politischen Akteuren, die auf ihn angewiesen haben, ist ein bisschen zurückgerudert, hat sich milder gezeigt, hat zum Gespräch eingeladen und hat dann ja auch konkrete Schritte angekündigt.

00:07:56: Also der hat die Unterschrift unter das Umstritten Steuergesetz, was ja... Teil Auslöser war der Proteste, hat er verweigert und hat das Parlament gebeten, das Gesetz komplett zurückzuziehen.

00:08:08: Und er hat eine Kabinettsumbildung angekündigt, die dann auch erfolgt ist, sodass dann mit einigen Tagen Verzögerung doch das Signal kam, okay, wir hören auf euch und wir sind bereit, in Dialog zu gehen und wir sind auf bereit, entsprechende Schritte zu unternehmen.

00:08:22: Das war am Ende eine große Enttäuschung, weil wir an der wirtschaftlichen Lage und der steuerlichen Belastung hat sich bisher nichts geändert.

00:08:29: Und die Kabinettsumbildung war ein großes Versprechen.

00:08:32: Am Ende hat man gesehen, das dient eigentlich nur der Festigung der Macht von Ruto und der Ausweitung seiner Regierungskoalition, weil man einfach noch weitere Teile der Opposition in die Regierung geholt hat mit Kabinettsposten und so weiter, um sich darüber zu konsolidieren und weniger jetzt einen Politikwandel herbeizuführen.

00:08:49: Und das hat auch mit dazu geführt, dass in diesem Jahr die Protest auch wieder aufgehalten.

00:08:54: Auf der anderen Seite hat die Opposition auch einen schweren Stand.

00:08:57: Die haben natürlich auch versucht, Oppositionsakteure sich auch an die Proteste anzudocken, sich auch der jungen Generation als Alternative zu präsentieren.

00:09:07: Jetzt kommt aber dazu, dass neben diesen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Frust der jungen Leute auch darin bedingt ist, dass sie einfach dem gesamten politischen Establishment nicht trauen.

00:09:16: Dass sie das Gefühl haben, egal wer da gerade an der Macht ist in wechselnden Konstellationen.

00:09:20: Und in Kenia haben wir regelmäßig demokratische Wahlen und demokratische Wechsel.

00:09:25: Aber die jungen Leute haben das Gefühl, es ist immer die gleiche politische Elite.

00:09:29: Es sind immer die gleichen, vielleicht ein gutes Dutzend von Protagonisten, die in wechselnden Konstellationen die Macht übernehmen.

00:09:37: Und das betrifft eben auch Teile der jetzigen Opposition.

00:09:39: Die wichtigsten Stimmen in der Opposition waren in der Vergangenheit auch Teil der Regierung und haben nicht unbedingt das Vertrauen der jungen Leute.

00:09:46: Deswegen konnte die Opposition wenig davon profitieren.

00:09:49: Das heißt, aktuell haben wir eigentlich gar keine so richtige Opposition, sondern die Opposition könnte man sagen, ist eigentlich die Jugend selbst, die da auf der Straße steht und für ihre Rechte kämpft.

00:10:01: Also wir haben im Grunde eine Art zweigeteilte Opposition.

00:10:04: Wir haben die traditionelle Opposition, bestehend aus den Protagonisten, die halt gerade nicht an der Macht sind und die jetzt auch mit Blick auf die nächsten Wahlen, die sind zu gestalten, wo es aber eher nach der alten politischen Logik geht, wer kommt da mit wem zusammen, wer vertritt welche Regionen und auch welche Ethnien und haben wir dann eine Chance, auch entsprechend viele Wählerstimmen zu vereinen.

00:10:25: Und auf der anderen Seite die junge Generation, die eine inhaltliche Agenda hat, die einen Politikwechsel will und ob die beiden zusammenfinden, ist, glaube ich, ein zentraler Faktor für die künftigen Wahlen.

00:10:37: Im Moment sehe ich da noch wenig Potenzial, dass das wirklich passiert.

00:10:41: Es ist ja so, dass man immer wieder in Interviews mit den jungen Leuten hört, wie gut die eigentlich ausgebildet sind.

00:10:48: Die haben teilweise zwei Studienabschlüsse, finden aber trotzdem keinen Job.

00:10:52: Welche strukturellen Probleme siehst du da?

00:10:55: Ja, das ist, ich meine, man könnte jetzt weit ausholen und das in Kontext von Entwicklungsherausforderungen und Hemmnessen auch im afrikanischen Kontext sehen.

00:11:03: die ja auch Kenia betreffen, warum Armut und Arbeitslosigkeit immer noch so große Probleme sind.

00:11:08: Jetzt speziell auf Kenia kommen einfach eine ganze Reihe Faktoren zusammen.

00:11:12: Wir haben eine sehr schnell wachsende, sehr junge Bevölkerung.

00:11:16: Wir haben zwar ein signifikantes Wirtschaftswachstum, das reicht aber nicht ansatzweise in Anbetracht des demografischen Faktors.

00:11:22: Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit und letztlich ein Arbeitsmarkt, der viel zu klein ist, nicht ansatzweise in der Lage ist, die große Zahl an jungen Leuten auch zu absorbieren und mit Jobs zu versorgen.

00:11:33: was man klassisch als jobless growth bezeichnet.

00:11:35: Also es wächst zwar die Wirtschaft, aber die Beschäftigungsmöglichkeiten für die jungen Leute entstehen nicht wirklich.

00:11:41: und dann haben wir, wie du beschrieben hast, diese jungen Leute mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand, fitte, sehr gut vernetzte junge Leute, die aber sehen, es fehlt an wirtschaftlichen Perspektiven, es gibt kaum Arbeitsplätze und für uns bleibt in vielen Fällen einfach nur der informelle Sektor, um uns irgendwie durchzubringen und ein Einkommen zu erzielen.

00:12:00: Und dann reden wir immer noch nicht von den vielen jungen Leuten, die in den ländlichen Gebieten leben und von der Hand in den Mund leben und gänzlich ausgeschlossen sind.

00:12:08: Mir ist es wichtig, für die Hörerinnen und Hörer auch nochmal den Bogen zur Europa zu spannen.

00:12:13: In der Recherche ist mir aufgefallen, wenn es um den Kampf gegen Terrorismus, wenn es um den wirtschaftlichen Einfluss, um Migration und Entwicklungszusammenarbeit geht, dann ist ja Kenya wirklich ein Schlüsselland für Europa.

00:12:24: Würdest du sagen, dass sich diese Bedeutung so auch in der europäischen Außenpolitik widerspiegelt?

00:12:30: Ja und nein, nein im Sinne dessen, dass ich glaube, dass wir in Deutschland und Europa fundamental immer noch nicht erkannt haben, mit welchen Politikansätzen und Kooperationsangeboten wir mit Ländern wie Kenia und anderen Entwicklungsländern kooperieren.

00:12:46: Das vorweg.

00:12:46: ansonsten würde ich sagen, ja, die strategische Bedeutung Kenias ist, glaube ich, mittlerweile ganz gut erkannt.

00:12:52: Es ist sehr deutlich und das wissen auch die politisch Verantwortlichen in Deutschland und Europa.

00:12:56: Es ist das einzig stabile und trotz aller Herausforderungen noch weitgehend demokratische Land in der Region, umgeben von Konflikten, von Kriegen in Somalia, in Sudan.

00:13:06: aktuelle demokratische Krise in Tanzania, also eine sehr volatile Region.

00:13:10: Und da ist Kenya ein Stabilitätsanker.

00:13:13: Gleichzeitig, Kenya hat wesentlich bessere wirtschaftliche Perspektiven als andere afrikanische Länder, ist sehr innovativ mit vielen Investitionsmöglichkeiten.

00:13:21: Kenya ist ein konstruktiver Akteur auf internationaler Ebene, viel stärker als eigentlich alle anderen afrikanischen Länder, auch in Partner des Westens, wenn es darum geht, Multilateralismus zu stärken, die regelbasierte internationale Ordnung zu erhalten und zu stärken.

00:13:37: Und das Bewusstsein ist da.

00:13:39: Enge Beziehungen mit Deutschland sind da, es gibt eine intensive Kooperation über die Entwicklungszusammenarbeit.

00:13:44: Präsident Ruto war, das war erstmalig, dass das ein afrikanischer Präsident gemacht hat, war Mitausrichter unseres Bundespräsidenten beim Bürgerfest des Schloss Bellevue in den Jahren.

00:13:55: Das war kurz vor den Protesten, ich weiß nicht, ob man ihn nach den Protesten noch eingeladen hätte, aber er ist wichtiger Partner, wird auch entsprechend behandelt.

00:14:03: Ein Beispiel auch für die Kooperation mit Deutschland.

00:14:05: Letztes Jahr wurde Migrationsabkommen abgeschlossen zwischen Deutschland und Kenia, was sich ja auch Vorbildcharakter hat.

00:14:13: Man hat erkannt, wie wichtig Kenia ist.

00:14:16: Ich glaube aber, um zurückzukommen zu den Protesten und der aktuellen Lage, das ist schon auch beispielhaft für die Lämata, die wir haben in der Kooperation mit anderen Ländern, gerade auch Entwicklungsländern und neuen Schlüsselpartnern, dass wir sehen.

00:14:30: Einerseits, das ist so ein wichtiger Akteur.

00:14:32: Es gibt kaum Akteure in Afrika und so einen Präsidenten wie Ruto in Afrika, der uns und dem Westen gegenüber so aufgeschlossen und kooperativ ist.

00:14:40: Und gleichzeitig sieht man, da geht es aber möglicherweise innenpolitisch und demokratisch gerade in Richtung, die uns gar nicht gefällt.

00:14:47: Und wie gehen wir mit diesem Spannungsfeld um?

00:14:48: Wie stellen wir uns dann auf?

00:14:50: Sind wir dann einfach pragmatisch und sagen, der Partner ist aber so strategisch wichtig für uns?

00:14:54: Oder sagt man, na ja, da müssten wir jetzt eher auf Distanz gehen?

00:14:57: Und die Antwort wage ich nicht zu geben, weil das ist wirklich ein Abwägungsprozess.

00:15:02: Jetzt hast du die Demokratie- und Rechtsratsförderung schon angeteasert.

00:15:06: Mich würde interessieren, welche Rolle spielt dir jetzt zum Beispiel ein internationaler Akteur für die Konrad-Adenauer-Stiftung?

00:15:12: Was ist denn euer konkreter Beitrag vor Ort?

00:15:15: Gibt es vielleicht sogar konkrete Austauschformate mit den jungen Aktivisten?

00:15:19: Magst du uns dazu noch was erzählen?

00:15:21: Ja, wir haben als Konrad-Adenauer-Stiftung da einen ganz klaren Ansatz, was das Thema betrifft.

00:15:26: Wir sehen unsere Rolle darin.

00:15:28: Akteure und Kanäle zu stärken, über die sich die berechtigten Anliegen der jungen Generationen effektiv einbringen lassen in den Politikbetrieb.

00:15:38: und über die sich auch der verhandene Frust nicht einfach nur entlädt, sondern in konstruktive Bahnen lenken lässt.

00:15:44: Also, dass die jungen Leute protestieren, ist ja ihr gutes Recht, solange das friedlich erfolgt.

00:15:49: Und das ist ja auch ein ganz zentrales Element von politischer Partizipation.

00:15:53: Aber erstens haben wir als Akteur von außen ja bei dieser Beteiligungsform keine Rolle zu spielen.

00:15:57: Das steht uns nicht zu.

00:15:59: Und zweit ist es ja auch wichtig, dass es darüber hinaus geht, dass es über die Proteste hinaus geht zu einem konstruktiven Engagement.

00:16:06: Und da kommen wir eigentlich mit unserer Arbeit ins Spiel.

00:16:09: Es wird überall als bemerkenswert hervorgehoben, dass diese Genzi-Bewegung sich als leaderless und faceless bezeichnet.

00:16:17: Die jungen Leute haben regelmäßig Einladungen ausgeschlagen, auch in den Dialog zu treten.

00:16:23: Sicherlich auch aus berechtigten Misstrauen, weil man Angst hat, dann wird man eingekauft und über den Tisch gezogen.

00:16:29: Aber auf der anderen Seite kommt dann eben auch nichts Greifbares, Konstruktives heraus.

00:16:34: Da kommen wir ins Spiel, denn wir arbeiten mit genau den jungen Leuten zusammen, denen es eben nicht reicht.

00:16:39: auf der Straße Krach zu machen, sondern die darüber hinausgehen wollen, die sich organisieren wollen, die ihr Gesicht zeigen wollen und sich auch beim Namen nennen lassen, um das zu vergleichen mit diesem Faceless und Gliederlist.

00:16:51: Die sich in Verbänden engagieren, die NGOs gründen, die Parteien beitreten, die auch für Wahlämter kandidieren.

00:16:57: Und da gibt es eine ganz große Masse an jungen Leuten mit einem wahnsinnigen Potenzial, die bereit sind, sich einzubringen und die zu fördern, die zu vernetzen.

00:17:05: ob das über klassische Fortbildungen ist oder ob das über langfristig angelegte Fellowship-Programme ist oder Mentoring-Programme, ob das über Stipendien ist.

00:17:14: Da haben wir eine ganze Reihe von Instrumenten, auch mit vielen kindianischen Partnerorganisationen, wo wir eben schauen, dass wir genau diese jungen Leute gezielt identifizieren und auch mit dem Rüstzeug ausstatten, dass sie sich nicht nur irgendwie engagieren, sondern dabei auch einen Effekt erzielen und auch wirklich, wirklich Änderungen herbeiführen und dann auch ihrer Generation zeigen können.

00:17:35: quasi als Vorbild schaut her junge Leute es gibt doch Möglichkeiten sich einzubringen und manchmal kommt da sogar was bei raus.

00:17:42: Ihr arbeitet ja auch an einem sogenannten Manifest, magst du dazu noch was sagen?

00:17:47: Ja genau, wir arbeiten nicht an dem Manifest, aber viele der jungen Leute, mit denen wir arbeiten, nicht nur junge Leute, mit denen wir arbeiten übrigens, sondern auch junge Leute aus den Netzwerken anderer deutscher politischer Stiftung.

00:17:59: Da sind auch die Böllstiftung, die Ebert Stiftung, die Naumann Stiftung, beteiligt.

00:18:03: Und unsere jungen Leute aus diesen Netzwerken, die wir schon gefördert und geschult haben, Die haben eine Initiative gegründet, namens Manifestoyetu.

00:18:12: Da geht es darum, wirklich ein Manifest für die junge Generation aufzusetzen, die Stimmen der jungen Leute einzufangen und in ein Dokument zu übersetzen, was so eine Art Kompass bieten kann.

00:18:24: Weil diese abstrakte Frust der jungen Leute ist wenig greifbar und auch die Forderungen auf der Straße, die dann schnell kippen, in der Präsidentmus halt weg und wir brauchen eine neue Regierung.

00:18:35: sondern dazu konkret zu schauen, was sind denn wirklich die Anliegen?

00:18:38: Wo drückt der Schuh und wie können wir das auch an die politisch Verantwortlichen so kommunizieren, dass sie sehen, wo wir den Handlungsbedarf sehen?

00:18:45: Und das in der Hoffnung, dass das vielleicht auch im Wahlkampf vor den nächsten Wahlen eine zentrale Rolle spielen wird.

00:18:52: Also die jungen Leute waren jetzt in den letzten Wochen massiv unterwegs mit ihrem Konsortium, was sie gegründet haben, haben in allen Landesteilen mit jungen Leuten gesprochen, haben in Nairobi alle möglichen gesellschaftlichen Gruppen getroffen von Unternehmern zu Religionsvertretern und Jugendverbänden und sind jetzt gerade dabei, das in eine finale Form zu gießen und wir freuen uns darauf, wenn dann, bevor wir alle in die Weihnachtspause gehen, dass auch in Nairobi offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

00:19:20: Ich würde mir gerne noch mal diesen Generationenkonflikt anschauen.

00:19:25: Es ist ja ein Konflikt, den ich nenn's jetzt mal diese ältere Generation der bisherigen Eliten eigentlich nicht gewinnen können oder werden, denn die Jungen sind ja schlichtweg mehr.

00:19:35: Das wird auch deutlich, wenn die Demonstranten rufen, sie können uns nicht alle töten.

00:19:40: Das klingt erstmal super pathetisch, aber es ist auch schlichtweg ein demografischer Fakt.

00:19:44: Aktuell sind es etwa vierhundert Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, die zwischen Jahre alt sind, hast du das Gefühl, dass die aktuelle Regierung das spürt, vielleicht einige sogar um ihre Posten fürchten und dass da ein Umdenken im Gange ist?

00:20:00: Ja, ich glaube, das ist jetzt spannend zu beobachten, inwiefern die alte politische Logik noch zieht und trägt und überlebt und wann sich vielleicht auch eine neue politische Kultur durchsetzt getrieben von dieser jungen Generation.

00:20:15: Regierung in Kenia und auch die Oppositionsakteure haben schon erkannt, dass man nicht gegen die junge Bevölkerung regieren kann.

00:20:24: Und dann versucht man ja auch da anzudocken und sich der Themen anzunehmen.

00:20:28: Und da habe ich auch große Hoffnung, dass das auch ein zentrales Leitmotiv im nächsten Wahlkampf sein wird.

00:20:33: Gleichzeitig sehen wir aber Auch wie Ruto sein sogenanntes Broad-Based-Government gestaltet, ja, also das ist immer noch die alte Logik.

00:20:40: Ich festige meine Macht dadurch, dass ich ein großes Netzwerk bilde und diverse Allianzen schmiede.

00:20:47: und wichtige politische Protagonisten in mein Lager hole.

00:20:51: Ja, die ich dann auch entsprechend einbinde, die dann die Regierungsagenda unterstützen, die gleichzeitig aber auch mir die Wellerstimmen bringen.

00:20:59: Weil die alte Logik in Kenia ist immer noch, dass ich quasi einen ethnischen Kongress-Bilde, dass ich gewisse politische Protagonisten habe, die quasi den Stimmenblock aus ihrer Region mitbringen oder den Stimmenblock ihrer Ethnie mitbringen.

00:21:12: und in der Vergangenheit.

00:21:13: haben die Kenyane auch primär entlang dieser ethnischen Zugehörigkeiten gewählt.

00:21:18: Und das ist etwas, was die junge Generation durchbrechen will.

00:21:22: Und je mehr junge Leute wir haben, die sagen, wir wählen nicht mehr nach dieser Logik.

00:21:26: ist so größer als die Wahrscheinlichkeit, dass sich das ändert.

00:21:29: Ob das in der nächsten Wahl schon gelingen wird, da habe ich so meine Fragezeichen, weil wir möglicherweise eine Mischung erleben werden aus verschenkten Stimmen der jungen Generationen, die an die Kandidaten gehen, die zwar selber jung sind und an die jungen Leute appellieren, aber keine Chance haben, über ein paar Prozent hinauszukommen.

00:21:47: Viele verschenkte Potenzielle stimmen, weil möglicherweise doch viele junge Leute letztlich nicht an der Wahl teilnehmen werden, weil sie sehen, da ist eigentlich kein vielversprechender Kandidat, der für ein neues Politikmodell steht und möglicherweise die alte Logik dann doch noch zieht und am Ende setzt sich der durch der Hals-Mart eine Allianz nach der alten Logik gebastelt hat.

00:22:12: Aber das ist dann nur eine Frage der Zeit.

00:22:14: Also ich glaube, da muss man auch einfach mit längerem Atem denken und wir müssen das auch langfristig beobachten, dass sich die politische Kultur ändern wird.

00:22:21: Daran besteht für mich kein Zweifel.

00:22:24: Wir sollten nur eins auch dabei nicht aus dem Blick lassen, auch in unserer Arbeit.

00:22:28: Es besteht natürlich auch immer eine gewisse Radikalisierungsgefahr.

00:22:32: Ja, also wenn sich der Frust der jungen Leute dann umsetzt in radikale revolutionäre Bewegung.

00:22:38: Oder wir haben jetzt hier in Kenia auch junge Leute, die dann auf der Straße rufen, Kenia Nize Traure, Traure ist ein junger Militärherrscher in Burkina Faso, der unter dem Einfluss der Russen steht.

00:22:50: Also das sind natürlich Dinge, die wir nicht sehen wollen, dass dann so ein radikaler Umsturz stattfindet.

00:22:56: Und aber das, was danach folgt, dann ungewiss ist, wie wir es auch im arabischen Frühling oder anderswo gesehen haben.

00:23:02: Also von daher ist das etwas, was es für uns gilt, zu begleiten.

00:23:05: und genau immer wieder zurück zu dem Punkt, wie lässt sich das in konstruktive Bahnen lenken, vielleicht auch mit einer gewissen Geduld?

00:23:12: Danke, Matthias.

00:23:13: Noch eine ganz kurze und schnelle Frage am Schluss, vielleicht auch noch mal mit einem positiven Aspekt, wenn du an Kenia denkst, welches Geräusch kommt dir sofort in den Sinn?

00:23:23: und vielleicht auch nicht unbedingt eins, das negativ behaftet ist oder mit den Protesten zu tun hat.

00:23:28: Oh, das ist auf jeden Fall, wenn ich morgens in Kenia aufwache und der Wind um unser Haus pfeift und die Vögel switchen und die Bäume rascheln.

00:23:37: Und ich alleine an der Akustik morgens schon feststelle, dass ich nicht in Deutschland, sondern in Kenia bin.

00:23:41: Und das Schöne in Kenia ist, das ist dreihundertsechzig Tage im Jahr.

00:23:45: Matthias, vielen Dank für deine Eindrücke aus Kenia und auch die Projekte, die ihr dort zusammen mit vielen Jugendorganisationen umsetzt.

00:23:53: Die Publikation, von der du heute gesprochen hast, verlinke ich natürlich in den Shownotes.

00:23:57: Wir haben heute am zweiten Dezember aufgezeichnet, der Podcast ist eine Produktion der Konrad Adenauer Stiftung.

00:24:04: Wenn ihr Anregungen, Kritik oder Fragen habt, schreibt sie uns gerne über Social Media, vergesst nicht ein Abo da zu lassen, wenn ihr zukünftige Folgen nicht verpassen wollt.

00:24:13: Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal!

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